GER:
Während liberale Denker Zivilreligionen traditionell skeptisch gegenüberstehen, werden sie im Republikanismus als Quelle politischer Moral gepriesen. Zivilreligionen können den Verbindlichkeitscharakter staatsbürgerlicher Pflichten und damit auch den sozialintegrativen Kitt einer liberalen Gesellschaft stärken. In dieser Funktion ist die Zivilreligion nach Lübbe nicht nur ein Mittel der Versinnbildlichung und Sakralisierung des politischen Lebens, sondern vor allem ein Liberalitätsgarant. Der liberalen Skepsis haben diese Argumente wenig anhaben können. Zu schwer wiegen die Bedenken gegen die Überwindung der Trennung von Staat und Gesellschaft einerseits und von Politik und Religion andererseits. Dienen Zivilreligionen im republikanischen Modell der Zügelung egoistischer Interessen, vertrauen Liberale auf den mündigen Bürger und setzen sich für einen im Rahmen verfassungsrechtlich gesicherter Freiheitsräume freiwillig praktizierten Gemeinsinn ein. In der Debatte über die Bedeutung und Funktion von Zivilreligionen werden die Unterschiede zwischen Republikanismus und Liberalismus deutlich. Doch wie tiefgreifend sind diese Unterschiede wirklich? Weshalb widersprechen Zivilreligionen dem liberalen Vorrang des Rechten vor dem Guten? Können sie nicht vielmehr dem Bereich des Rechten zugerechnet werden? Kann die Zivilreligion als Ausdruck und zugleich Motor dieses bürgerlichen Glaubensbekenntnisses der Sicherung der individuellen Grundfreiheiten dienen? Oder münden zivilreligiöse Bestrebungen zwangsläufig in eine paternalistische Bevormundung durch den Staat? Diese und weitere Fragen werden im Sommerkurs „Politische Theorie“ durch Vorträge und in Diskussionen mit Wissenschaftlern aus verschiedenen Ländern ausführlich erörtert. Die unterschiedlichen politisch-kulturellen Voraussetzungen der beteiligten Länder werden hierbei kontrastiert und gegenübergestellt. Zudem bietet sich hier die Chance, in interkultureller Hinsicht verschiedene Perspektiven und Erfahrungen der Teilnehmenden aus unterschiedlichen Nationen auszutauschen.
ENG:
In current debates ‘Civil Religion’ is gaining increasing attention as an integrating force in liberal societies. But while liberal thinkers look at civil religion with skepticism, republicans praise it as a source of political morality as well as a basis of common ideas on societal values and norms. In this view, civil religion – according to Lübbe – involves not only the symbolization and sacralization of political life but serves directly as a guarantee of liberality. Despite such claims, most liberals complain that civil religion might contradict the separation of state and society, and of politics and religion.
This course will address the liberal-republican controversy on civil religion. It will focus on the meaning and function of civil religion and discuss its potential with regard of current and prospective social and political issues.
The course language is German and – upon request – English.